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Kurzgeschichte,

über die Frage nach dem Sinn des Lebens

Es war einmal eine kleine Möwe.

Jeden Tag flog sie über das weite Meer hinaus. Nie hatte sie jemals daran gedacht, was passieren 
würde, wenn sie diese wunderbaren Flügel nicht mehr tragen könnten. Denn es war schließlich nicht so.

So flog die kleine Möwe an einem wunderschönen Tag mal wieder über das Meer, als ihr Vater ihr 
hinter her rief: „Kleine Möwe flieg nicht zu weit weg!“ „Warum?“, fragte die kleine Möwe und war schon 
viel zu weit geflogen, als dass sie die Antwort ihres Vaters hätte hören können. Auf dem Meer war ein 
riesiges Schiff, auf dem sie sich ausruhte und sich in der Speisekammer verköstigte. Dies gefiel dem 
Koch natürlich überhaupt nicht und er rannte auf die kleine Möwe zu. Aber, Schwups, flog sie auch 
schon wieder davon. Sie unterhielt sich eine Weile mit den Wolken und pfiff zum Wehen des Windes.

Irgendwann wurde es dunkel und die kleine Möwe flog nach Hause. Sie wollte der Mutter gerade von 
ihrem abenteuerreichen Tag erzählen als sie etwas merkwürdiges sah. Ihr Vater saß auf einem 
Stein und weinte. „Aber Vater! Was ist denn passiert?“, wollte sie wissen.

„Ach kleine Möwe, ich bin gestürzt und habe mir den Flügel gebrochen. Jetzt kann ich nicht mehr 
fliegen“, antwortete ihr Vater traurig. „Aber wie konnte das denn passieren?“ „Weißt du kleine Möwe 
ich sehe nicht mehr so gut. Und meine Flügel werden im Alter nun mal immer schwächer. Ich wollte 
die Zeichen der Zeit nicht wahrhaben kleine Möwe und so bin ich nun mal gestürzt.“ Die kleine Möwe 
verstand nicht. Warum sollte man im Alter nicht mehr fliegen können und was sollte man dann nur 
machen, wenn man nicht mehr fliegen kann? Das Leben wäre doch schrecklich langweilig.

Verwirrt ging sie am Meer entlang. 
Sie lief und lief und immer wieder kamen ihr die gleichen Fragen entgegen.

 

 

„Hey, was soll das? Du bist in meinem Gebiet, hau ab!“ Die kleine Möwe erschrak fürchterlich. 
„W-wer b-bist du?“, stotterte sie. „Ich bin Kunibert Krebs aber kannst du nicht aufpassen?“
 „Ich bin die kleine Möwe und ich war gerade so in Gedanken versunken. Tut mir leid Herr Krebs.“ 
„Ja, ja. In Gedanken? Und woran hast du gedacht?“

„Nun, ich habe mich gefragt, wozu wir leben, wenn wir doch alle alt werden und krank und irgendwann 
sterben. Weißt du es vielleicht?“

„Kleine Möwe, kleine Möwe. Ich kann dir leider nicht helfen.“

Bedauernd ging die kleine Möwe weiter und suchte nach einer Antwort auf ihre Frage.

Da stolperte sie über einen Ast. Aber dieser Ast war kein Ast, denn er konnte sprechen: 
„Aua! Hast du keine Augen im Kopf?“ „Das tut mir leid! Ich war gerade so in Gedanken versunken, 
dass ich dich nicht gesehen habe. Ich bin die kleine Möwe und wer bist du?“ „Ich bin Willi Wurm. 
Aber woran dachtest du denn?“

„Nun, ich habe mich gefragt, wozu wir leben, wenn wir doch alle alt werden und krank und irgendwann 
sterben. Weißt du es vielleicht?“

„Kleine Möwe, kleine Möwe. Ich kann dir leider nicht helfen,“ erwiderte nun auch der Wurm.

Die kleine Möwe war müde geworden und so legte sie sich in den Sand und schlief eine Weile.

Doch gleich am nächsten Tag suchte sie weiter. Diesmal flog sie über das Meer und fragte Fische 
und Seesterne. Doch alle sagten nur:

„Kleine Möwe, kleine Möwe. Ich kann dir leider nicht helfen.“

Doch die kleine Möwe wollte nicht aufgeben. Sie suchte weiter. Irgendwo musste es doch 
irgendjemanden geben, der wusste, wozu man lebte.

Sie flog an die Antarktis und fragte Eisbären und Pinguine, doch auch die sagten nur:

„Kleine Möwe, kleine Möwe. Ich kann dir leider nicht helfen.“

Sie flog nach Afrika zu den Löwen und Elefanten doch auch die antworteten:

„Kleine Möwe, kleine Möwe. Ich kann dir leider nicht helfen.“

Sie flog in den Regenwald, in den Dschungel, in Großstädte. Aber alle Lebewesen sagten das gleiche:

„Kleine Möwe, kleine Möwe. Ich kann dir leider nicht helfen.“

So vergingen Jahre über Jahre ohne das die kleine Möwe eine Antwort fand.

Eines Tages war die kleine Möwe sehr schwach. Sie hatte einen langen Flug hinter sich und ihre 
Flügel waren auch nicht mehr das, was sie mal waren. Müde legte sie sich unter einen Baum um 
ein wenig zu schlafen.

Doch plötzlich sah sie ein kleines Tier. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Es war rot und hatte 
schwarze Punkte. Die kleine Möwe sah zu, wie dieses Tier verwirrt umherlief. Mal nach rechts, 
mal nach links, dann wieder gerade aus. Zwischendurch flog es auch mal ein Stück.

„Hallo ich bin die kleine Möwe, und wer bist du?“, fragte die kleine Möwe höflich.

„Ich bin Mary Marienkäfer, aber ich habe keine Zeit. Keine Zeit!“

„Warum hast du keine Zeit?“ „Bin auf der Suche, auf der Suche!“, erwiderte die Marienkäferdame 
hektisch und lief schnell im Zickzack hin und her.“ Kann ich dir vielleicht helfen, Frau Marienkäfer?“, 
die kleine Möwe war neugierig geworden. Was suchte dieses kleine Tier? „Helfen? Ich habe schon 
so viele gefragt, aber entweder verstehen sie mich nicht oder haben das, was ich suche selbst noch 
nicht gefunden.“ „Aber was denn? Was suchst du denn?“ Die kleine Möwe war aufgestanden und sah 
den Käfer auffordernd und zugleich fragend an. „Ist nicht so wichtig. Außerdem habe ich es noch nicht 
gefunden, woher soll ich dann wissen, was es ist? Weißt du etwa die Antwort auf eine Frage schon 
bevor dir jemand geantwortet hat?“ „Nein,“ murmelte die kleine Möwe und erinnerte sich daran, dass 
sie selbst noch keine Antwort auf ihre Frage gefunden hat. Ob Mary Marienkäfer ihr wohl weiterhelfen 
könnte? Doch bevor sie Mary fragen konnte sagte diese: „Keine Zeit muss weiter, denn wenn ich 
aufgebe, gebe ich mich selbst auf und damit mein Leben.“

Nachdenklich über die Worte setzte sich die kleine Möwe und sah dem Tier mit den Punkten nach. 
Und als der Marienkäfer kaum noch zu erblicken war rief sie ihm hinterher:

„Und was machst du, wenn du es gefunden hast?“

„Dann darf ich sterben. Denn wer gefunden hat braucht nicht mehr zu suchen.“

Und da war Mary Marienkäfer auch schon verschwunden.
„Wer gefunden hat braucht nicht mehr zu suchen,“ murmelte die kleine Möwe.

Und auf einmal war aus der Kleinen eine große Möwe geworden.

                                                      Und noch in der selben Nacht verließ die Seele ihren Körper.

 

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